
Malen ist Leben mit Farben
Eine Leidenschaft schafft mitunter auch Leiden, sonst hieße sie nicht so. Ohne Malen kann ich nicht, mit manchmal aber auch nicht. Ich liebe das Malen genauso, wie ich es manchmal hasse. Warum setze ich mich einem Prozess aus, der mir nicht ausschließlich gut tut?
Ich male, weil ich mich dadurch ausdrücken kann, viel über mich und die Dinge erfahre, die auf den Bildern landen. Ich liebe Details! Was mich im Alltag an Reizen oft überfordert, bereichert mich beim Entdecken von winzigen Besonderheiten. Beim Malen beschäftige ich mich intensiv mit allerfeinsten Nuancen – nicht immer kann ich sie für mich zufriedenstellend auch darstellen, aber ich staune immer, was möglich ist und die Bilder überraschen mich oft auch selbst.
Durch dieses entdeckende Malen erlebe ich die Schöpfung ganz bewusst, mit wieviel Liebe und Variation jedes Lebewesen, jede Pflanze ausgestattet ist. Alles ist einzigartig und in sich perfekt, wenn man es wertfrei betrachtet und die Filter von gut-schlecht, eklig, gefährlich, hübsch und hässlich beiseite lässt. Zur Zeit male ich Quallen. Oft denkt man an Verbrennungen, Glibber und Ekel, aber ohne diese Brille betrachtet sind sie anmutig und wunderschön.
In den meisten Fällen freue ich mich an den fertigen Bildern und zeige sie voller Stolz. Aber es gibt bei jedem Bild schmerzhafte Phasen im Entstehungsprozess, in denen ich gegen Widerstände, Versagensängste und Perfektionismus kämpfe.
Der Entstehensprozess – ein Auf und Ab der Gefühle
Zu Beginn ist der Prozess für mich impulsiv, kreativ und freudvoll. Etwas Neues beginnt, es gibt noch keine Regeln, ich kann noch nichts „versauen“. Zwar begleitet mich auch starke Unsicherheit, weil ich noch nicht weiß, was wird, aber ich habe über die Jahre vertrauen gelernt, dass fast immer ein schönes Ergebnis die Belohnung ist.
Sobald das Bild „verbindlicher“ wird, ich eine genaue Vorstellung davon habe, was ich darstellen möchte, komme ich in einen Zwiespalt: Einerseits Vorfreude auf das Entdecken und Kennenlernen von Mustern, Strukturen und Details, auf das Ergebnis. Gleichzeitig überkommen mich aber auch Druck, Perfektionismus und die Angst vor Fehlern, vor dem Versagen.
Mit dem zunehmenden Gelingen wächst wieder Vertrauen, bevor ich dann in die Ungeduldsphase komme. Das Ziel wird greifbar, aber es braucht noch Durchhaltevermögen. Ich möchte fertig werden, aber es braucht seine Zeit. In der Regel unterschätze ich die Dauer dieser Phase und muss dann mit meinem Frust klarkommen, obwohl sie bei jedem Bild auftritt und ich es eigentlich besser weiß…
In der Endphase atme ich erleichtert auf und empfinde viel Vergnügen und Befriedigung, noch kleine spielerische Akzente zu setzen. Die Schwierigkeiten sind überwunden, jetzt darf wieder gespielt werden.
Malen ist mehr als ein Hobby
Es ist eine schöne, allgemein verbreitete Vorstellung, das Malen als ausschließlich schön, entspannend und wohltuend zu sehen. Vielleicht ist es das für einige oder viele auch. Jeder ist anders. Für mich ist das Malen einfach viel mehr als nur ein Zeitvertreib oder ein Hobby zum Spaß.
Malen ist vor allem Begegnung mit mir selbst.
Muss es immer gut tun und Spaß machen? Das kommt darauf an, welches Ziel ich verfolge.
Wenn ich mir selbst begegne, begegne ich nicht nur meiner kreativen und freundlichen Seite, sondern auch sehr schwierigen Themen und Gefühlen. Ich konfrontiere mich mit Unsicherheit, Angst, Verletzlichkeit, genauso wie mit Ungeduld, geringer Fehlertoleranz, Perfektionismus, innerer Abwertung und Kritik. Und meinem Dauer-Lebensthema: Das Leben nicht planen zu können.
Malen ist Therapie.
Therapie ein langer Prozess mit vielen Höhen und Tiefen.
Malen ist manchmal selbstgewähltes Leid.
Malen ist aber auch befriedigend, klärend und bereichernd.
Malen ist Leben mit Farben!
